Fachgespräch „Nicht nur ein Dach über dem Kopf … Auswege für Frauen in Wohnungslosigkeit“

Am 13. Juni haben wir im Autonomen Frauenzentrum das Fachgespräch „Nicht nur ein Dach über dem Kopf … Auswege für Frauen in Wohnungslosigkeit“ durchgeführt. Vertreter*innen aus Verwaltung, Politik und Trägerschaft haben an dem Gespräch teilgenommen. Wir haben auf die Situation wohnungsloser Frauen in Potsdam geschaut. Häusliche Gewalt, psychische Krankheiten oder ein gewaltbereites Elternhaus sind nur einige Gründe, um in die Wohnungslosigkeit zu geraten.

Leider steigen die Zahlen immer weiter an. Auch die Dunkelziffer von Frauen in Wohnungslosigkeit ist erfahrungsgemäß sehr groß, da viele Frauen in verdeckter Wohnungslosigkeit leben. Zudem gibt es keine Erfassung der Leistungen (Hilfen zur Überwindung in besonderen Schwierigkeiten) nach Geschlecht womit keine Aussagen über den weiblichen Anteil dieser Hilfen getroffen werden können.

Jahre lang wurde der Anteil der betroffenen Frauen auf 10 Prozent geschätzt. Dies hat sich mit der Zeit verändert. In der Notschlafstelle mit 10 Betten ist ein Anstieg von 19,4 Prozent (2018) auf bisher 20,7 Prozent in diesem Jahr zu verzeichnen. Das AWO Wohnprojekt „Junge Wilde“ hat 2018 mit 10,3 Prozent und 2019 mit bisherigen 17,9 Prozent einen deutlichen Anstieg von 7,6 Prozent zu vermerken. Auch das Obdachlosenheim Lerchensteig zeigt laut der Unterbringungsstatistik einen leichten Anstieg von einem Prozent an. Von den bisherigen 108 Aufnahmen (2018: 125) sind 14 Frauen zurzeit dort untergebracht.

Daher hatte das Fachgespräch zum Ziel, nähere Informationen über die Situation von wohnungslosen Frauen anhand der Erfahrungen der Expert*innen in unserer Runde zusammenzutragen. Folgende Frage sollte geklärt werden: „Welche Angebote gibt es bereits für sie und welche zusätzlichen Angebote müssen geschaffen werden?“ Zusätzlich dazu gab es einen Input von Frau Beate Vetter-Gorowic des Berliner Modellprojekts:  „Housing First für Frauen“, welcher einen ersten Einblick in mögliche Angebote für wohnungslose Frauen geben konnte. Der Grundgedanke bei diesem Ansatz ist, dass die eigenen vier Wände für jeden Menschen einen Schutzraum darstellen, welcher ihnen Sicherheit und eine Perspektive gibt. Bei der Vermittlung der Frauen wird darauf geachtet, dass die Wohnungen im gesamten Stadtgebiet verteilt sind und eine Ghettoisierung vermieden wird. Die Hilfe ist bedingungslos, d.h. es werden keine Erwartungen an die Frauen adressiert, die Annahme ist freiwillig und es handelt sich um ein niedrigschwelliges Angebot. Ziel ist es, die Frauen in einer eigenständigen Lebensführung zu unterstützen und zu stärken.

Je klarer das Bild der Bedarfslagen von Frauen in Wohnungslosigkeit beschrieben ist, desto besser können passgenaue Angebote für Frauen in Wohnungslosigkeit entwickelt werden. Wohnungslose Frauen werden sichtbar, wenn es ein passendes Angebot für sie gibt, z.B. Tagestreffs, die Anonymität gewährleisten. Durch den übergeordneten Wunsch der Frauen ihre Wohnungslosigkeit geheim zu halten, werden Angebote wie bspw. Frauen-WG-Plätze ohne vorgeschaltete niedrigschwellige Begleitangebote nicht als passendes Angebot wahrgenommen. Mehr Frauen als zuvor bringen heute psychische Auffälligkeiten mit. Eine derzeitige Lücke im Hilfesystem für diese Frauen sind Angebote mit suchtakzeptierendem Ansatz und die Begleitung bei psychosozialen Problemen. Der Gewaltschutz für Frauen und das Schaffen von sicheren Orten für Frauen in Wohnungslosigkeit muss bei frauen-spezifischen Angeboten stets gewährleistet werden. Die Gruppe der wohnungslosen Frau muss demnach weiter ausdifferenziert werden. Aus den Erfahrungen der Anwesenden wurden folgende „Untergruppen“ herausgearbeitet: Alleinstehende Frauen mit Kindern, Frauen mit psychischen Erkrankungen sowie junge Frauen, die aus Beziehungen fliehen.