Rückblick auf das Jahr 2022

So lief das Jahr im Autonomen Frauenzentrum und seinen Projekten

Frauenzentrum

Die Aktivitäten des Frauenzentrum fanden bis Frühjahr 2022 unter den Bedingungen der Corona-Pandemie statt. Trotzdem konnte unter freiem Himmel der Tanzflashmob zu One Billion Rising stattfinden.  Die erste größere Veranstaltung war die Lesung von Helga Schütz zum internationalen Frauen*kampftag am 8. März. Etwa 100 Menschen fanden sich dazu im T-Werk ein. Mit zahlreichen niedrigschwelligen Angeboten brachte das Frauenzentrum Frauen und Mädchen aus Potsdam und Umgebung zusammen: Sommerfest, Kleidertausch, Frauensalons und vieles mehr. Der Höhepunkt des Veranstaltungsjahres war das Festival der Frauen, das ebenfalls im T-Werk stattfand. Mit Theater, Spoken Word, Musik und Tanz feierten wir, dass wir nach der Pandemie wieder zusammenkommen konnten.

Nach den Lockdowns der vergangenen Monate fanden sich ab Frühjahr auch wieder die Gruppen im Frauenzentrum zusammen: Von der interkulturellen Gruppe, gemeinsamen Kochen, Tischtennis und spanischsprachigem Kindertheater sind viele Interessen und Perspektiven vertreten, die im Frauenzentrum einen exklusiven Raum zu günstigen Konditionen finden. Neu hinzugekommen sind 2022 eine eritreische sowie eine türkirsche Frauengruppe.

Das Komplizinnenprojekt legte seinen Schwerpunkt 2022 auf die Stärkung von Netzwerken ins Land hinein: So wurden mit Künstlerinnen und Aktivistinnen gemeinsame Veranstaltungen in Neuruppin, Perleberg und weiteren Orten organisiert.

Im November beteiligte sich das Frauenzentrum an Aktionen, die auf den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen aufmerksam machten. So fand im Frauenzentrum ein Gesprächsabend statt, bei dem die Mitarbeiterinnen der Gewaltschutzprojekte sowie das Netzwerk der Brandenburgischen Frauenhäuser und weitere Fachkräfte Fragen rund um das Thema häusliche Gewalt beantworteten. Den Jahresabschluss bildeten die Lange Nacht der Geschichten mit dem Erzählwerk Potsdam sowie ein interkulturelles Weihnachtsdinner.

 

Frauenhaus

Häusliche Gewalt gehört für viele Frauen und Kinder nach wie vor zur alltäglichen Realität. In diesem Jahr – von Januar bis Anfang Dezember 2022 – fanden 30 Frauen und 23 Kinder eine Zuflucht und den Schutz im Frauenhaus Potsdam.

Im Jahr 2022 lag der Anteil der Frauen mit einen Migrationshintergrund bei über 70 Prozent. Die Migrationsarbeit war hiermit ein großer Bestandteil der sozialpädagogischen Arbeit im Frauenhaus. Viele Frauen kamen ins Frauenhaus über professionelle Dienste (Beratungsstellen, Polizei, Schulen, Kitas und andere Anti-Gewalt-Projekte). Dies zeigt, wie wichtig die Öffentlichkeitsarbeit, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen sowie das gut funktionierende Netzwerk sind.

Das Jahr 2022 war, wie das vorherige Jahr, stark durch die Situation durch COVID-19 geprägt. Besondere Herausforderungen waren die Organisation der Quarantäne für Infizierte, deren Versorgung sowie die Gewährleistung der sozialpädagogischen Betreuung ohne den direkten Kontakt. Der persönliche Kontakt zu den Behörden war auch 2022 nur eingeschränkt möglich. Nicht alle Bewohnerinnen waren technisch affin oder verfügten über die entsprechende technische Ausstattung, um digitale Kommunikation in Anspruch zu nehmen. Seit Anfang des Jahres besteht zwischen dem Autonomen Frauenzentrum Potsdam e.V. und der ProPotsdam GmbH ein Kooperationsvereinbarung. Durch diesen sollen die Frauen einen erleichterten Zugang zu Wohnraum im Stadtgebiet von Potsdam erhalten.

Die Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die Energieressourcen unseres Landes haben auch uns in diesem Jahr beschäftigt. Vorbereitungen auf eventuelle Stromausfälle wurden getroffen. Reserven wurden angelegt.

Die Spendenbereitschaft von privaten Personen und Institutionen war 2022 enorm hoch. So konnte z.B. das Kinderzimmer des Frauenhauses weiter mit viel neuem Spielzeug bestückt sowie altersentsprechende „Spielkisten“ für den Einzug neuer Kinder vorbereitet werden. Durch unseren Kooperationspartner KULTÜR Potsdam konnten die Frauen und Kinder viele Kultur- und Freizeitangebote in ihren Alltag integrieren wie z.B. Besuch eines Theaterstückes, der Biosphäre oder mehrerer Museen.

Trotz der pandemischen Lage konnten auch 2022 Ausflüge sowie Feiern mit den Frauenhausbewohnerinnen und ihren Kindern durchgeführt werden. Eine Schifffahrt und der Besuch des Filmparks Babelsberg sowie unsere jährliche Halloween- und Weihnachtsfeier waren eine tolle Abwechslung für die Frauen und die Kinder. Außerdem wurden viele Projekte organisiert und durchgeführt wie z.B. 3D Handabdrücke, Kinderrechte im Zuge des Weltkindertages, viele verschiedene Kreativangebote.

Prägend war ebenfalls die Weiterentwicklung des im Jahr 2021 neu entstandenen Teams, die von zwei externen Kräften professionell begleitet wurde. 

 

Beratungsstelle für Mädchen und Frauen

Für die Beratungsstelle für Frauen und Mädchen war das Jahr 2022 ein Jahr des Umbruchs. Es fanden zwei Personalwechsel statt und das Angebot der Beratungsstelle wird seither nicht mehr von psychologischen Fachkräften, sondern von einer Klinischen Sozialarbeiterin und einer Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin bedient. Ein daraus resultierender rein psychosozialer Beratungsansatz soll ein möglichst niedrigschwelliges Angebot darstellen und damit unkompliziert und schnell Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Frauen bereitstellen.

So dreht sich der Beratungsalltag schwerpunktmäßig um die Begleitung von Krisen- und oder Trennungssituationen, Stabilisierung nach traumatisierenden Erlebnissen, Gestaltung von Übergängen in die Psychotherapie, Vermittlung zum Hilfenetzwerk, sowie die Unterstützung bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven. In diesem Zusammenhang ist auch die ausdrückliche Erweiterung der Zielgruppe der Beratungsstelle zu bemerken:  Seit 2022 können nun auch unmissverständlich betroffene Transfrauen die Beratung für sich in Anspruch nehmen bzw. alle Personen, die sich als Frauen oder Mädchen verstehen.

Auch im Jahr 2022 blieben die Anfragen für Beratungsgespräche von Betroffenen, Angehörigen und professionellen Fachkräften aus dem Hilfenetzwerk hoch. Der Krieg in der Ukraine hat zur Folge, dass das Beratungsangebot nun auch von Frauen aus der Ukraine oder Russland in Anspruch genommen wird, die neben einer grundlegenden Neuorientierung in Brandenburg Schutz vor und Beratung zu Gewalt aus dem häuslichen Umfeld suchten.

In Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle des Opferhilfe e.V. fanden im Herbst Vernetzungstage mit dem Wach- und Wechseldienst der Polizei statt, die eine verbesserte Frauenschutzstruktur in Potsdam zum Ziel hatten. Die enge Zusammenarbeit innerhalb des Hilfesystems war und ist eine wesentliche Komponente im Kampf gegen Häusliche Gewalt und verlangt somit auch von der Beratungsstelle für Frauen und Mädchen einen hohen Anteil an Vernetzungsarbeit mit allen am Frauenschutz beteiligten Institutionen. Damit sind auch für das Jahr 2023 weitere Vernetzungstermine geplant.

 

Mädchentreff „Zimtzicken“

Traditionell begrüßten wir das neue Jahr des Tigers mit dem vietnamesischen Neujahrsfest. Die Raubkatze steht für Mut, Abenteuer, Durchsetzungskraft, Risikobereitschaft und Optimismus. Im Laufe des Jahres hat sich gezeigt, dass wir diese Eigenschaften noch dringender brauchen als wir schon zu Beginn des Jahres dachten. Der Beginn des Krieges im Februar forderte uns  zu neuen Angeboten heraus. Wir veranstalteten einen Kuchenbazar um Geld für die geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine zu sammeln und nahmen Kontakt zu der russischsprachigen Community auf, um die ukrainischen Mädchen* in den Mädchen*treff einzuladen.

Student*innen der Fachhochschule FB Sozialwesen führten im Mädchen*treff einen dreiteiligen Workshop „Everybody is a good body“ zum Thema Bodypositivity durch. In den Osterferien machten wir gemeinsam mit unseren polnischen Freundinnen* eine Bildungsfahrt nach Kamminke auf der Insel Usedom zum Thema: so fern und doch so nah. Am Girlsday veranstalteten wir einen Empowerment Workshop für Mädchen* in Zusammenarbeit mit der KuKMa. Im April endete auch unser erstes digitales Beteiligungsprojekt „Let´s get digital“ welches erstmals auch Mädchen* mit Beeinträchtigungen eine Teilhabe an unseren Angeboten ermöglichte.

Mit Mut und Abenteuerlust stürzten wir uns in die Planung neuer deutsch-polnischer Begegnungen und machten uns auf die Suche nach einer neuen Partnerorganisation in Stettin. In den Sommerferien ist es uns trotz der unsicheren Weltlage und Corona gelungen einen deutsch-polnisch-ukrainischen Mädchen*segeltörn zu veranstalten. An sämtlichen Sommerferienkursen haben viele ukrainische Mädchen* aus dem gesamten Potsdamer Stadtgebiet teilgenommen. Durch die sprachlichen Ressourcen des Teams konnten wir Sprachbarrieren überbrücken. Teil des Sommerferienprogramms war auch eine Workshopwoche zur Erarbeitung eines Exponats für die Ausstellung „Wir dachten wir konnten die Welt aus den Angeln heben“ in der Gedenkstätte Lindenstraße. Im Oktober feierten wir gemeinsam mit der Kinderrechtskoordinatorin der Stadt Potsdam und der KuKMa den Weltmädchen*tag vor dem Landtag.

In diesem Jahr überarbeiten wir unser Konzept so, dass in Zukunft alle Angebote des Mädchen*treffs inklusiv werden. 2022 haben wir für 5 verschiedenen Schulen Mädchen*workshop durchgeführt. Insgesamt konnten wir 2438 Mädchen* mit unseren Angeboten erreichen. (Stand 24.11.2022)