Ute Tröbner (vormals Rohn-Tröbner)
Physiotherapeutin, Sozialpädagogin, Gesundheitsberaterin, Jahrgang 1956
„Das war eine Zeit, in der der Herzschlag einfach schneller ging“, fasst Ute Tröbner die Monate nach dem Mauerfall zusammen.[1] Sie stammt aus Lodersleben, einem Ortsteil von Querfurt in Sachsen-Anhalt. Als junge Physiotherapeutin, ausgebildet an der Medizinischen Fachschule in Halle/Saale, kommt sie 1976 nach Potsdam. Sie bringt 1977 und 1982 ihre Kinder zur Welt und heiratet. Im Sommer 1989 wird ihr Sohn eingeschult, und da sie mehr Zeit für ihn haben möchte, gibt sie ihre Arbeit als Physiotherapeutin auf.
Für Ute Tröbner verbindet die politische Wende Unruhe mit Freiheitsgedanken. Die Einladung zu einem Frauentreffen in der Ausbildungsstätte für Gemeindepädagogik am 10. Dezember 1989 kommt da wie gerufen. Sie weiß: „Wenn wir uns nicht zu Wort melden, wird niemand etwas für uns regeln.“[2] Der Satz eines Politikers – die Ostfrauen müssten sich daran gewöhnen, weniger zu arbeiten, um mehr für die Familie da zu sein – beschreibt sie als nachhaltigen Handlungsimpuls, sich für die Gleichstellung einzusetzen. Im Rückblick fällt ihr die eigene geschlechterspezifische Beeinflussung bis in den Kindergarten ein: Die Erzieherinnen versuchten dort, ihr Interesse von Autos auf Puppen umzulenken – erfolglos. Das ging in der Schule weiter mit Handarbeit und Schwebebalken statt Freibad und Turnen an den Ringen.[3]
Ute Tröbner engagiert sich bei der Unabhängigen Initiative Potsdamer Frauen. Zusammen mit Anke Lehmann ist sie für das Büro verantwortlich. Ihren anschließenden beruflichen Weg beschreibt sie als Entdeckungsreise. Vor dem Scheitern hat sie keine Angst. „Ich baue gerne was auf“, sagt sie, doch sie sei keine Frau für Routinearbeiten. Bereits im März 1990 stellt sie sich zur Wahl für die Volkskammer – auf der gemeinsamen Liste von UFV und Grüner Partei. Außerdem vertritt sie die Initiative am Runden Tisch der Stadt Potsdam, im Vorstand des Autonomen Frauenzentrums und später in der Landesarbeitsgemeinschaft für politische Bildung in Brandenburg.[4] Auch hätte sie gern das Amt der Gleichstellungsbeauftragten des Bezirkes Potsdam ausgefüllt, denn die dort eingesetzte Erika Wald agiert nicht im Sinne der Unabhängigen Fraueninitiative, von der sie ursprünglich delegiert wurde. Ab Juni 1990 laufen Bemühungen, sie abzulösen. Doch das gelingt nicht.[5]
Am 21. Februar 1991 sitzt Ute Tröbner gemeinsam mit Vertreterinnen von neuen und etablierten Verbänden, Organisationen und Parteien am ersten Frauenpolitischen Runden Tisch des Landes Brandenburg. Daraus wird ein Jahr später der Frauenpolitische Rat des Landes Brandenburg als Dachverband verschiedener Fraueninitiativen. Noch im selben Jahr kündigt Ute Tröbner beim UFV Brandenburg und arbeitet kurzzeitig für das Netzwerk „pömps“ – Partizipation von Frauen in Öffentlichkeit, Management, Politik und Sozialem. Von 1992 bis 1994 führt sie die Geschäfte des Frauenpolitischen Rates.[6]
1994: Jahr der Landtagswahl in Brandenburg und des bundesweiten Frauenstreiks. Bereits im Spätherbst 1993 entschließt sich Ute Tröbner, im Bündnis 90/Die Grünen als Spitzenkandidatin für den UFV anzutreten. Im März sind Bündnisverhandlungen. Es gibt personelles Machtgerangel. Ute Tröbner schreibt dazu in der Zeitschrift weibblick: „Schon die Wahl der Liste war ein Ereignis! Sehr deutlich waren die einzelnen Strömungen für uns wahrnehmbar. Der Abend war lang, und ich muß sagen, ein Lehrstück in der Verhinderungstaktik, zeitweilig offen feindselig ausgetragen!“[7] Sie erringt Platz 5 auf der offenen Liste.[8] Bis September reist sie durch das nördliche Brandenburg, präsentiert auf Veranstaltungen das Wahlprogramm, steht an Infoständen Rede und Antwort, tritt mit der Kabarettistin Johanna Lesch auf.[9] Doch sie hat den Eindruck, die Menschen sind politisch desillusioniert. Am Ende scheitert der Einzug des Bündnisses in den Landtag an der Fünfprozent-Hürde. Ute Tröbner resümiert im selben Jahr: „Was hätte eine Frau des UFV im Brandenburger Parlament mehr bewirken können, als deutlich zu machen, es gibt den Unabhängigen Frauenverband! Und wäre ich als solche überhaupt ins öffentliche Bewußtsein gedrungen? Noch heute werde ich als Grüne angesehen, denn schon im Wahlkampf nahm kaum jemand Notiz davon, daß ich für den UFV kandidierte.“[10] Dabei hätte sie gern etwas bewegt, auch wirtschaftlich. Heute zweifelt sie an den politischen Strukturen in Deutschland, auch fehle es aus ihrer Sicht an kompetenten, nicht korrumpierbaren Menschen.
1995 schließt der Unabhängige Frauenverband alle Landesbüros und entlässt die dortigen Mitarbeiterinnen. Ute Tröbner würde gern das Potsdamer Büro retten und die Stadtpolitik für Frauen auf neue Beine stellen. Daher ruft sie am 13. Juli 1995 mit Elke Jacob und Dorothea Hohn die Regionalgruppe Unabhängige Initiative Potsdamer Frauen ins Leben. Als finanzielle Basis planen sie das Vermögen des UFV-Landesverbandes Brandenburg ein. Doch das gehört dem Bundesverband, wie sich im Oktober herausstellt, denn die Potsdamer Fraueninitiative hatte sich 1990 dem UFV unterstellt und sich keine eigene juristische Form gegeben.
In den nächsten Jahren findet Ute Tröbner neue berufliche Wege: Sie arbeitet als Sozialpädagogin an einer Schule und studiert bis 2001 dieses Fach berufsbegleitend. Danach absolviert sie eine Ausbildung zur Gesundheitsberaterin und betreibt eine eigene Praxis. 2007 zieht sie nach Berlin. Heute lebt sie zurückgezogen auf dem Land.
9. Juni 2021
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Robert-Havemann-Gesellschaft/Archiv der DDR-Opposition, UFV-Bestand, A/131 Potsdam Landtagswahl 1994: Bewerbung von Ute Rohn-Tröbner um einen vorderen Platz der Liste Bündnis 90/Die Grünen für die Landtagswahl in Brandenburg 1994, undatiert.
[5] Ebd., A/132 Potsdam/UFV-Büro+UIPF 1990/Briefe von und an UFV+UIPF.
[6] Frauenpolitischer Rat Land Brandenburg e.V. (Hg.): 10 Jahre Frauenpolitischer Rat Land Brandenburg e.V. Politik mit und für Frauen. Potsdam 2002, S. 4, 9 (https://www.frauenpolitischer-rat.de/wp-content/uploads/2017/08/10-Jahre-FPR-Chronik.pdf, 12.5.2020).
[7] Ute Tröbner: Haben Sie aufs falsche Pferd gesetzt?, in: weibblick. 19/1994, S. 42-45, hier S. 43. Die Zeitschrift erscheint seit Januar 1992, ursprünglich herausgegeben vom Unabhängigen Frauenverband, seit 2000 ist sie als Onlinemagazin verfügbar.
[8] Robert-Havemann-Gesellschaft/Archiv der DDR-Opposition, UFV-Bestand, A/131 Potsdam Landtagswahl 1994: Rundschreiben des UFV-Landesbüros Brandenburg vom 11.4.1994.
[9] Ebd., A/132 UFV Potsdam: Fahrtkosten Landtagswahl und Frauenstreik 1994 Ute Tröbner. Aufstellung der Termine und Kilometer.
[10] Ute Tröbner, Haben Sie aufs falsche Pferd gesetzt, S. 45.