Ute Grimm

Physiotherapeutin, Gemeindehelferin, Heil- und Gestaltpädagogin, Psychologin und Rechenschwäche-Therapeutin, Jahrgang 1960

Ute Grimm, 1991 © Ute Grimm

Ute Grimm kommt in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) zur Welt. Häufige Umzüge prägen ihre Kindheit, denn der Vater ist Pfarrer und so muss die Familie immer wieder den Ort wechseln; die längste Zeit lebt sie im sächsischen Penig. Sie wird Physiotherapeutin, bekommt drei Kinder und qualifiziert sich von 1985 bis 1988 über ein Fernstudium im Burckhardthaus, einem Weiterbildungsinstitut der evangelischen Kirche in Potsdam, zur Gemeindehelferin.

Im August 1989 zieht Ute Grimm mit ihrem Mann und den Kindern von Torgau nach Potsdam. Sie arbeitet als Physiotherapeutin bei der Hoffbauer-Stiftung und singt im Kirchenchor. Aber das ist ihr zu wenig. „Und was lag da näher, als mich irgendwie für Frauendinge zu interessieren.“ Dieses Verlangen kommt nicht von ungefähr. Bereits im Studium hat sie sich mit feministischer Theologie beschäftigt. Als sie von einem geplanten Frauentreffen am 16. Dezember 1989 im Otto-Nagel-Club in Waldstadt hört, zögert sie nicht und gründet die Unabhängige Initiative Potsdamer Frauen mit. Zuvor hatte sie überlegt, gemeinsam mit ihrem Mann der Sozialdemokratischen Partei beizutreten. „[W]ir wollten uns gerne direkt engagieren, und wir wollten möglichst erreichen, dass wir nicht einfach so überwandern in die Bundesrepublik, sondern wir wollten gucken, vielleicht kann man die beiden Länder langsam annähern und von beiden das Beste nehmen und ein gemeinsames Deutschland […] gründen. Und dann war ich zur Gründungsversammlung der SDP[1] und hab gemerkt, […] fast alles waren da Pfarrer und Männer […]. Und so kam’s ja dann auch, dass ich dachte, […] wir müssen jetzt was für uns [Frauen] tun.“[2]

Am 15. Januar 1990 bezieht die Fraueninitiative ihr Büro in der Otto-Nuschke-Straße 54 (Lindenstraße). Ute Grimm hat noch den Ölanstrich und die Fenstergitter vor Augen. Beides behagte ihr damals nicht. In besserer Erinnerung sind ihr die Kontakte zu Frauen aus anderen Gruppierungen und Parteien, zum Beispiel den Grünen: „Irgendwie sind wir manchmal dahin gegangen, und dann saßen in den Büros […] auch noch andre Frauen und haben sich ausgetauscht […] Ich war ja so oft nicht da. Ich musste ja auch immer arbeiten, aber wenn ich da war, gab‘s häufig irgendwie so ein Grüppchen von Frauen, die ihren Kaffee genommen haben und irgendwie geschwatzt haben aus allen möglichen Büros dort.“[3]

Ute Grimm nimmt als Vertreterin der Initiative am Runden Tisch der Stadt teil, der seit Dezember 1989 tagt.[4] Sie ist eine der Sprecherinnen der Frauengruppe und kandidiert für die Kommunalwahl im Mai 1990.[5] Wenn man die selbstbewusste Frau heute erlebt, ist ihre frühere Angst, vor großen Gruppen aufzutreten, kaum vorstellbar. „1988 war ja der Kirchentag in Halle, wo ich […] den Frauenkirchentag mit vorbereitet habe, und wo ich damals eine Gesprächsgruppe alleine gemacht habe [zum] Thema ‚Werde, die du bist!‘ Und in dieser Gruppe waren dann Professorinnen, Kirchenrätinnen, […] Doktorinnen, Physikerinnen. Es war eine hoch dekorierte Gruppe, und es ging trotzdem gut. Und da habe ich gemerkt, ach eigentlich liegt mir das auch, Leute mitzunehmen oder mitzureißen für irgendetwas und anzuführen“.[6] Viel Zeit sei allerdings nicht gewesen für den Wahlkampf, denn „ich hatte drei Kinder, war relativ neu in der Stadt und habe Vollzeit gearbeitet“.[7] Am Ende erringt nicht sie sondern Gisela Opitz von der Fraueninitiative einen Sitz im Parlament. Sechs Jahre später ist Ute Grimm in der Potsdamer Wählergruppe „DIE aNDERE“ erfolgreicher. Da dort das Rotationsprinzip praktiziert wird, amtierte sie schon mehrfach als Stadtverordnete.[8]

Von der Fraueninitiative zieht sich Ute Grimm im Verlauf des Jahres 1990 aus zeitlichen Gründen zurück. Später wendet sie sich dem Frauengesundheitszentrum zu, das frühere Mitstreiterinnen der Unabhängigen Fraueninitiative gegründet hatten. Alternative Verhütungsmethoden werden ihr Schwerpunkt. Das Basiswissen stammt aus einem Kurs über „natürliche“ Familienplanung bei der katholischen Kirche, den sie vor 1989 absolviert hat. Der befähigt sie auch, ihre Kenntnisse anderen Frauen zu vermitteln. „Das war in der DDR nie ein Thema, da gab’s die Pille. Und dann war ja schon der [gesellschaftliche] Aufbruch, wir wollten […] nicht mehr unsere Körper vollstopfen mit Hormonen“.[9] Anliegen des Frauengesundheitszentrums ist es auch, Frauen durch Wissen unabhängiger vom medizinischen System zu machen.

Beruflich wechselt Ute Grimm 1992 ins Babelsberger Oberlinhaus, erst als Physiotherapeutin, dann als Heilpädagogin. Sie studiert noch einmal – diesmal Psychologie und Pädagogik an der Fernuniversität Hagen. Danach wirkt sie im psychologischen Dienst vom Berufsbildungswerk des Oberlinhauses. Zwölf Jahre ist sie hier auch in der Mitarbeiter*innenvertretung aktiv, davon acht Jahre als Vorsitzende. 2010 kündigt sie und steigt im Potsdamer Zentrum zur Therapie der Rechenschwäche ein, das ihr Mann aufgebaut hat. Inzwischen ist sie auch für die Aus- und Fortbildung von Therapeuten/innen verantwortlich.

Gefragt nach ihrem Lebensmotto antwortete Ute Grimm 2008 den Potsdamer Neuesten Nachrichten: „Wehret der Dummheit und Ignoranz, fördert Nachdenklichkeit, Humor und kritische Distanz!“[10] Diesen Satz unterschreibt sie noch heute.

9. Juni 2021

 

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[1] Die Umbenennung in SPD erfolgte im Januar 1990.
[2] Interview von Jeanette Toussaint mit Ute Grimm am 10.12.2019.
[3] Ebd.
[4] Robert-Havemann-Gesellschaft/Archiv der DDR-Opposition, UFV-Bestand, A/132 Potsdam/UFV-Büro+UIPF 1990/Briefe von und an UFV+UIPF: Brief der UIPF an den UFV am 31.5.1990.
[5] Ebd., A/132 Potsdam/Koordinierungsratssitzung 10.4.1990, Protokoll.
[6] Interview von Jeanette Toussaint mit Ute Grimm am 10.12.2019.
[7] Ebd.
[8] Rainer Schüler: Wählergruppe stellt 84 Kandidaten auf, in: MAZ online, 14.2.2019 (https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Die-Anderen-Kandidaten-zur-Kommunalwahl-in-Potsdam, 19.6.2020).
[9] Interview von Jeanette Toussaint mit Ute Grimm am 10.12.2019.
[10] NIK: Vorstellungsrunde, in: PNN, 23.9.2008 (https://www.pnn.de/potsdam/vorstellungsrunde/21996388.html, 20.6.2020).