Lea Edelmann

Gärtnerin, Altenpflegerin, Jahrgang 1962

Lea Edelmann, Caputh 1990 © Jeanette Toussaint, Foto: Katherine Biesecke

 

Das Jahr 1990 erinnert Lea Edelmann als Zeit ihrer Politisierung. Sie ist sehr aktiv in der Unabhängigen Fraueninitiative, wirkt als Sprecherin, Moderatorin und Unterschriftsbevollmächtigte, ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Die ersten Treffen der Frauengruppe finden privat statt, auch in ihrer Dachwohnung in Potsdam-West. Bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 vertritt Lea Edelmann die Fraueninitiative in der Wahlkommission und sorgt als Potsdamer Stützpunktleiterin dafür, dass Manipulationen ausbleiben. Bald darauf ist sie beim ersten Café des Potsdamer Frauenzentrums dabei.

Geboren wird Lea Edelmann 1962 in Kleinmachnow. Eine Bilderbuchkindheit, sagt sie, mit Haus, Garten, Swimmingpool, Hund und großer Schwester. Sie ist eine vom Vater geprägte Tochter – und entwickelt doch eine Aversion gegen Autoritäten. Ein wichtiges Gefühl bricht sich für das weitere Leben Bahn; mitunter hinderlich, in der Wendezeit aber auch stärkend. Der Vater arbeitet als Entwicklungsingenieur, die Mutter ist Fotolaborantin. Politisch links, stehen beide der SPD nahe. Sie schicken ihre Töchter sowohl in die Christenlehre als auch zum Pioniernachmittag: „[D]ie wollten, dass wir uns unsere eigene Meinung bilden zu allem.“[1]
Die Geburt einer weiteren Schwester 1973 und der Einzug der Großmutter ins Haus leiten bei Lea Edelmann eine Phase des vorgezogenen Erwachsenwerdens ein. Als Berufswunsch kristallisiert sich irgendwann Krankenschwester heraus. Doch ihre Bewerbung in Potsdam wird zweimal abgelehnt, weil ihre Noten nicht ausreichen und sie nicht aktiv in der FDJ ist. Also wird sie Gärtnerin, aber ungern. Heute sieht sie die familiäre Tradition dahinter: die Gärtnerei der Großeltern in Wernigerode, der große Garten in Kleinmachnow, ein eigener Kleingarten in Berlin, der ihr, bei aller Arbeit, immer wieder Kraft spendet.
Lea Edelmann lernt im Volkseigenen Gut Bornimer Staudenkulturen, wechselt dann zum Botanischen Garten der Pädagogischen Hochschule Potsdam, um schließlich Mitte der 1980er Jahre die Volkssolidarität als Tätigkeitsfeld zu entdecken. Sie betreut Senior*innen und ist zur Wendezeit Teamleiterin, damals „Brigadier“ genannt.

Am 7. Mai 1989 werden in der DDR Kommunalwahlen abgehalten. Statt Stillhalten und Akzeptieren überwachen nun republikweit Menschen die Auszählung der Stimmzettel, unter ihnen Lea Edelmann. Schon lange wurde Betrug zugunsten der SED vermutet, der sich nun bestätigt und letztlich eine kritische Bürger*innenbewegung begründet. Lea Edelmann hat von dieser Aktion durch Freund*innen erfahren. Im Herbst 1989 nimmt sie an den Demonstrationen in Berlin und Potsdam teil, findet zum Frauenverband und darüber zu politischem Denken in größeren Zusammenhängen. Das formt sie: „Weiß ich noch genau, wie wir in dem Büro [der Fraueninitiative] saßen und gestritten haben, also streiten sollte ja immer ein Weg sein, schlussendlich auf einen Konsens zu kommen. [Wir haben] viel mit Worten gerungen. Das fand ich irre beeindruckend. Manchmal konnte ich nicht so gut oder klar formulieren, was ich so dachte und habe mich dann zurückgenommen, aber an bestimmten Stellen konnte ich das deutlich und habe mich dann auch eingebracht. Das verändert einen ja wahnsinnig, dass man selbstbewusster wird, dass einem deutlicher wird, wer man ist, wo man hin will“.[2] Die ersten Treffen der Unabhängigen Fraueninitiative im Dezember 1989 und Januar 1990 erinnert sie als sehr energiegeladen. Beeindruckt ist sie von der wertschätzenden Art der Theologin Gisela Opitz, der ältesten Mitstreiterin in dieser Runde, die sich immer nach dem Wohl jeder Einzelnen erkundigt.

Warum sich Lea Edelmann für Frauen engagiert hat? „Ich habe ein ganz starkes Unrechtsbewusstsein. Das hat sich überwiegend auf Frauen fokussiert, dass ich das immer so empfunden habe, warum sind denn Frauen plötzlich alleinerziehend mit zwei oder drei Kindern oder warum haben sie so eine Riesen-Belastung mit Arbeit und Haushalt, Kindern, was weiß ich. Das steckt so drin irgendwie“.[3]

Fast wäre sie in die Gastronomie eingestiegen, zusammen mit Beate Müller und Jeanette Toussaint: Zu dritt richten sie im Frühsommer 1990 ein Café im künftigen Potsdamer Frauenzentrum ein. Es soll zum ersten Anlaufpunkt für Frauen werden, die Beratung, Entspannung und Kulturgenuss suchen. Sie renovieren zwei Räume im ehemaligen Diabetikerzentrum in der Leninallee 189 (Zeppelinstraße), streichen viel in Violett, angelehnt an die Farbe der westdeutschen Frauenbewegung in den 1970er Jahren. Neben Arbeit und Ausbildung betreiben sie das Café stundenweise. Ausstellungen sind zu sehen, Feste werden gefeiert, Salate, Pizza und Eintöpfe kreiert. Preise auf Kantinenniveau – Reissalat 1,50 DM. Katherine Biesecke kommt im Herbst dazu, später weitere Freiwillige. Im ersten Jahr sind Männer willkommen, dann regt sich Widerstand, auch wegen der Sicherheit, denn inzwischen hält das Haus Notwohnungen für Frauen bereit, die aus gewalttätigen Beziehungen geflüchtet sind.
Aus dem Vollzeitjob im Café wird schließlich doch nichts. Lea Edelmann steigt im Laufe des Jahres 1991 aus, Katherine Biesecke und Jeanette Toussaint ebenfalls. Empfand sie die Diskussionen im Frauenverband anfangs als belebend, erscheinen sie ihr nun zunehmend ergebnislos: „Ewig reden ist so gar nicht meins. Machen. Und diese Erkenntnis oder diese Wahrnehmung, das hat mich dem Ganzen auch entfremdet.“[4]
Die Gesellschaft veränderte sich rasant, neue Wege waren gefordert. Nachdem die Volkssolidarität Ende 1990 allen Angestellten gekündigt hatte, ist sie zur Arbeiterwohlfahrt gewechselt. Dort beginnt sie nun eine berufsbegleitende Ausbildung zur Altenpflegerin, die sie 1994 abschließt. Danach arbeitet sie in verschiedenen Einrichtungen, zieht 1998 nach Berlin, baut ein Pflegeheim mit auf und qualifiziert sich zur Pflegedienstleiterin.

2005 kommt das Aus – Burnout. Drei Jahre Neuorientierung, Reha, Computerausbildung, Floristikkurs. Nie wieder in die Pflege, schwört sie sich. Doch dann erzählt ihr der Vater von einem Pflegedienst, der Menschen zu Hause betreut, die beatmet werden müssen. Ob sie sich eine solche Arbeit vorstellen könnte? Lea Edelmann kann. Seit 2008 ist sie dort, mit Höhen und Tiefen, aber insgesamt zufrieden, wie sie sagt.

31. Januar 2022

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[1] Interview von Jeanette Toussaint mit Lea Edelmann am 18.7.2020.
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.